«Industriebau
in der 3. Dimension»

David Sigrist, Geschäftsführer der HZDS AG, über sein Verständnis gelungener Industriearchitektur und der Notwendigkeit des Projekts «vertikale Arbeitswelten». 

David Sigrist, was heisst für Sie vertikal?

Über sich hinauswachsen, die Schwerkraft überwinden. Im übertragenen Sinn für die Industriearchitektur: die diversen Flüsse und Konditionen geschickt in die dritte Dimension entwickeln.

Was hat Sie motiviert, in die Industriearchitektur einzusteigen?

Die Herausforderung der vielschichtigen Planungsebenen: In der Industrie müssen wir weit vorausdenken, müssen künftige Veränderungen in die Architektur miteinbeziehen. Damit dies möglich wird, erhalten wir Einblick in die Gesamt- oder Teilstrategie unserer Kunden. Es folgt eine spannende Phase, in der wir die verschiedenen Raumkonzepte auf ihre Wandlungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüfen. Im Ergebnis erschaffen wir hier die Gene einer Fabrik, die sich mit der Unternehmung entwickeln kann. Diese Gene mit einer ansprechenden Gestaltung zusammenzuführen, das ist meine Motivation.

David Sigrist. Bild: Alessandro Della Bella

Sie haben von Anfang an Industriearchitektur gemacht?

Nein, ich bin als 27-jähriger Jungspunt nach dem berufsbegleitenden Studium zufällig vom Wohnungsbau zur Industriearchitektur gestossen. Damals bestand der Kern der Aufgabe darin, die Gebäude eng mit den schweren Betriebsanlagen zu verzahnen. Diese Abhängigkeit faszinierte mich. Ich begann mich mit diesen Anlagen und Betriebsflüssen vertieft zu beschäftigen, mit zunehmender Begeisterung für die komplexen Prozesse. 

Deshalb haben Sie Ihre eigene Firma gegründet?

Themen wie die Auslagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, aber auch die vorsichtig ausgedrückt lieblose Architektur in Schweizer Industriequartieren beschäftigten mich sehr, auch heute noch. Mit meiner Firma HZDS will und kann ich mich für eine starke, nachhaltige, also sozial, wirtschaftlich und ökologisch verträgliche Industriearchitektur in der Schweiz einsetzen. 

«Unsere Konzepte weisen eine hohe gebaute Flexibilität auf.
In der Nutzung bedeutet das:

Unsere Kunden können Bauten bewirtschaften,
in denen künftige Szenarien bereits angedacht sind.»

David Sigrist, Geschäftsführer HZDS AG


Nun hat HZDS mit «Vertikale Arbeitswelten» ein neues Projekt lanciert. Worum geht es dabei? 

Die zunehmende Bodenverknappung und der schonende Umgang mit Ressourcen sind Treiber für den Trend zur Vertikalisierung – und damit automatisch Thema für nachhaltige Industriearchitektur. Wir untersuchen, wie gesetzliche, bauliche und betriebliche Faktoren zur vertikalen Arbeitswelt stehen und entwickeln daraus Lösungsansätze. Wir haben erkannt, dass diese künftigen Konzepte an politische und gesellschaftliche Grenzen stossen und damit ausserhalb des Einflussbereichs unserer Kunden liegen. Deshalb wollen wir mit unserem Projekt zusätzlich die Diskussion über diese Grenzbereiche anregen. 

Sie wollen sensibilisieren? 

Viel mehr: wir fordern ein Umdenken! Wollen wir Vertikalisierung ermöglichen, benötigen wir untereinander abgestimmte Normen und Gesetze. Beispielsweise bringen gut gemeinte Erhöhungen zulässiger Baumassen in den Industriezonen wenig, wenn durch die Vertikalisierung unterschiedliche Raumnutzungen durch Schallschutzanforderungen finanziell und ökologisch verunmöglicht bleiben. Bedingungen, die heute in Zürich zunehmend grössere Wohnbauprojekte verhindern und Schweizer Arbeitsplätze gefährden, auch für den Industriebau. Hinsichtlich dieser  vorgegebenen Rahmenbedingungen können wir mit unseren Möglichkeiten nur sensibilisieren.  

Wir für unseren Teil entwickeln für unsere Kunden bereits heute Konzepte, Methoden und Argumente für Lösungen mit der Vertikalen. Dabei geht es um Aufgabenstellungen zu Etappierungen, Nutzungsveränderungen, Logistik und Gebäudetechnik sowie Tageslicht. Letztlich geht es uns auch darum, Grenzen der vertikalen Möglichkeiten aufzuzeigen. So entstand auch unsere Themengrafik mit der spassigen Illusion über wilde Industrietürme. 

Das klingt nach langfristiger Arbeit. Was können Sie jetzt unmittelbar tun? 

Ziel ist es, unseren Werkzeugkoffer bis 2023 ergänzt zu haben. In der Zwischenzeit wollen wir mit dem Projekt «vertikale Arbeitswelten» Wissen aneignen und weitergeben – und von der Dringlichkeit neuer Konzepte und Lösungen überzeugen. Wir befragen Spezialisten, publizieren Fachartikel und bringen verschiedene Stakeholder zum Meinungsaustausch zusammen.